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Relegation in der Bundesliga: wirklich unfair?

Ungeliebt. Umstritten. Unfair. Was spricht für die Relegation in der Fußball-Bundesliga?

Ungeliebt. Umstritten. Unfair. So kann man die Diskussion um die jährlichen Relegationsspiele um den dritten Auf- bzw. Abstiegsplatz zwischen der Bundesliga und 2. Liga zusammenfassen.

Kann man? 

Der Versuch einer Verteidigung. 

Die ungeliebte Relegation in der Bundesliga

In der Bundesliga gab es bereits eine Phase mit Relegationsspielen von 1981/82 bis 1990/91, bevor sie im Zuge der Neuordnung durch die Integration der Ostklubs abgeschafft wurde. Seit 2008 spielen der Drittplatzierte der 2. Liga und der Drittletzte der Bundesliga nun wieder den 18. Teilnehmer der folgenden Bundesligasaison aus.

Die Zeitintervalle scheinen für die öffentliche Diskussion relevant zu sein. Denn man hat den Eindruck, dass jene deutschen Fußballfans, die zwischen 1991 und 2008 ihren Weg zum Fußball fanden, also viele der zwischen 1980 und 1995 geborenen und heute auf Social Media aktiven Jahrgänge, die Relegation am vehementesten ablehnen.

Wie so oft im deutschen Fußball: Als “richtig” wird empfunden, was war, als man aufwuchs. Tradition über Argumente. Gewohnheit über alles. Das gilt für den Grad an Kommerzialisierung, für die Anzahl von Teams bei UEFIFA-Turnieren. Und auch für die Haltung zur Relegation.

Aber von dem emotionalen Begründungen ab, wie steht‘s denn nun mit der Relegation? Was spricht dafür, was dagegen?

Wie viele Absteiger sind eigentlich “richtig”?

Sollten jedes Jahr drei Vereine aus der Bundesliga absteigen? Oder zwei? Oder nur einer? Nur der letzte. Argumentativ würde das passen: Der Erste steigt auf, der Letzte ab.

Natürlich gibt es kein richtig. Die Zahl der Absteiger ist kein Naturgesetz, sondern reine Konvention. Die Ausrichterin der Liga legt sie fest. Es gibt Argumente für viele und Argumente für wenig Absteiger.

In England und Spanien steigen drei von 20 Teams direkt ab (15% der Teams). Stiegen in Deutschland drei von 18 direkt ab, wären das 16,7%. Der Klassenerhalt wäre härter als in England und Spanien. Stiegen nur zwei von 18 ab, wären das 13,9%. Der Klassenerhalt wäre leichter als in England und Spanien.

Ich spiele in einer “Fantasy Football”-Liga, dort stiegen letztes Jahr 50% der Teams ab. Das war hart. Wäre das ein denkbarer Ansatz für die Bundesliga? 50% Absteiger, neun von 18 Teams also. Auf den ersten Blick verrückt. Auf den zweiten aber vielleicht gar nicht so sehr. Wenn Abstiege fast alle träfen, und zwar regelmäßig, und man dazu im Folgejahr deutlich leichter wieder hoch käme, das wären ja ebenfalls 9 Teams, verlöre der Abstieg vielleicht an existentiellen Schrecken.

Oder lösen wir uns von unseren eingeübten Denkmustern: Warum überhaupt steigen die Teams am Tabellenende ab? Man könnte auch argumentieren, dass der Meister (sic!) der Bundesliga absteigen solle. Wer bei Super Mario den Endboss besiegt, beginnt schließlich auch wieder von vorne. 

Nichts davon ist per se fair oder unfair, sondern ein komplett willkürliche – und legitime –  Festlegung der Spielregeln. Wenn also die DFL als Regelhüterin der Bundesliga und 2. Liga der Ansicht ist, zwei Absteiger seien zu wenig, drei aber zu viel, dann ist die Relegation das Werkzeug, um einen Wert dazwischen zu erreichen.

Vorteil #1 der Relegation: Sie kann helfen, im Mittel mehr als zwei und weniger als drei Absteiger pro Jahr erlauben.

Wie belohnt man Saisonergebnisse am fairsten?

Sollte eine bessere Tabellenplatzierung zu einer größeren Belohnung führen? 

Im Vakuum klingt das trivial und wird selbstverständlich bejaht. Und genau das passiert auch. Der Tabellenerste der Bundesliga darf sich Meister nennen, der schlechter platzierte Tabellendritte nicht. Der Fünfte darf Europapokal spielen, der Elfte nicht. Der Vierzehnte hält die Klasse, der Achtzehnte nicht. 

Selbst zwischen den Europapokalplätzen gibt es nochmals feine aber wichtige Unterschiede: direkte Qualifikation für die Europa League oder den Umweg über Playoffs. Die granulare Differenzierung ist monetär und sportlich relevant.

Ein Relegationsplatz führt eine solche Differenzierung ein: Der 16. hat eine bessere Saison gespielt als der 17. Eine Relegation berücksichtigt genau das. In der 2. Liga haben der Meister und der Vizemeister eine bessere Saison gespielt, als der Tabellendritte.

Vorteil #2 der Relegation: Sie belohnt Meisterschaften in unterklassigen Ligen stärker und bestraft Tabellenletzte stärker. 

Wie hält man eine Liga lange spannend?

Die Bundesliga hat Probleme. Gravierende. Die Bayerndominanz einerseits und unattraktive Clubs andererseits. TV-Quoten, Stadionzuschauer, Flair. Bei vielen “neuen” Clubs fehlt es daran. 

Daran ändert die Relegation alleine nichts. Aber zu einem kleinen Thema trägt sie positiv bei. Die Diskussion um Wettbewerbsverzerrung ist an den letzten Spieltagen der Saison allgegenwärtig.

Das betrifft zum Beispiel den FC Bayern, der verständlicherweise nachlässt, nachdem er rechnerisch Meister wird. Das ist darüber hinaus aber ein generelles Phänomen am Saisonende: Es gibt Spiele, bei denen es für mindestens ein Team um nichts mehr geht. Fehlende Anreize für die Teams noch durchziehen. Geschonte Spieler, halbe Kraft. Kennt man alles.

Die Relegation als rettendes Ufer hält Teams am Tabellenende der Bundesliga länger im Rennen. Der direkte Aufstieg gegenüber der Relegation zwingt die Spitzenteams der 2. Liga dazu, länger um Platz 1 oder 2 zu kämpfen, statt sich mit Platz 3 zufrieden zu geben.

Vorteil #3 der Relegation: Sie macht Ligaspiele am Saisonende für mehr Teams länger relevant und steigert die Spannung im Ligabetrieb.

Fazit: Relegation, ja bitte?

Die genannten Vorteile sprechen für eine Relegation. Aber sie erforfern sie mitnichten. Andere Meinung sind genauso legitim.

Auch wenn es keine rationalen Gründe braucht, um die Relegation abzulehnen, sollte man über die Vorteile einer Relegation nachdenken. Die kommen in der öffentlichen Debatte oft zu kurz. Nicht mehr. Nicht weniger.

PS: Das Geld spielt keine große Rolle

Eine Bundesligasaison besteht aus 34 Spieltagen mit insgesamt 306 Spielen. Zwei weitere Spiele durch die Abstiegsrelegation bedeuten eine Steigerung um 0,6%.

Der tatsächliche finanzielle Wert pro Relegationsspiel ist anhand der Komplexität der einzelnen Rechtepakete und des Auktionsverfahrens schwer zu bestimmen, dürfte aber kaum substantiell höher liegen als 0,6 bis 1%.

Bei jährlichen Einnahmen von rund einer Milliarde Euro aus Lizenzrechten machen die Relegationsspiele also ca. 6-10 Millionen € aus. Pro Proficlub entspricht das durchschnittlich ca. 250.000 €. Soll man wirklich unterstellen, dass DFL und die 36 Proficlubs für diese Summe ihre Seele verkaufen?

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